Was Kreditnehmer:innen und Immobilienprofis jetzt wissen müssen
Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat im Juni 2025 ihr lang erwartetes „Rundschreiben zur soliden Vergabe von privaten Wohnimmobilienkrediten“ (WIK-Rundschreiben) veröffentlicht. Damit setzt die FMA einen Auftrag des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) um und schafft nach dem Auslaufen der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) per 30. Juni 2025 einen neuen aufsichtsrechtlichen Rahmen für Wohnbaukredite.
Kernstück des Rundschreibens sind – im Einklang mit der Empfehlung des FMSG – die drei einfachen Grundregeln für die Kreditvergabe, die bereits mit der KIM-V etabliert wurden:
- 1. Eigenmittel mitbringen (maximal 90% Beleihungsquote),
- 2. bei der Höhe der Kreditrate vorsichtig bleiben (maximal 40% des Jahres-Nettoeinkommens), und
- 3. möglichst vor der Pension schuldenfrei sein (maximale Laufzeit 35 Jahre).
Diese Regeln sind im internationalen Vergleich moderat und entsprechen dem Standard vieler EU-Länder.
Was sich mit dem Auslaufen der KIM-V ändert: Banken können künftig von diesen drei Vorgaben abweichen, solange trotzdem eine solide Kreditvergabe gewährleistet ist. Das Rundschreiben definiert daher auch die Voraussetzungen für Abweichungen von diesen Vorgaben. Die Richtwerte gelten weiterhin als Maßstab für solide Kreditvergabe. Weichen Banken davon ab, müssen sie nachweisen, dass ihr erhöhter Risikoappetit durch ihre Risikostrategie gedeckt ist – was ein höheres Kapitalerfordernis bedeuten kann.
Nachfolgend fassen wir die wichtigsten Punkte für Sie zusammen – und zeigen, wo jetzt vertragliche, finanzielle und strategische Stellschrauben zu justieren sind.
1. Warum ist das Rundschreiben wichtig?
- Die bisher verpflichtenden makroprudenziellen Vorgaben (KIM-V) laufen aus.
- Die FMA erwartet dennoch weiterhin solide Kreditvergabestandards.
- Institute müssen ihre Prozesse und Richtlinien anpassen – Kreditnehmer:innen müssen mit strengeren Prüfungen rechnen.
2. Die drei Kernparameter im Überblick
Parameter | Richtwert laut FMA | Besonderheiten |
---|---|---|
Schuldendienstquote (DSTI) | max. 40 % des verfügbaren Nettoeinkommens | Bei variabler Verzinsung greift ein Abschlag : Je kürzer die Zinsbindung, desto strenger der DSTI-Grenzwert. |
Beleihungsquote (Loan-to-Value, LTV) | max. 90 % | Ab einer Kredithöhe von 50.000 € (bzw. 100.000 € bei bestimmten Voraussetzungen) sind werthaltige Sicherheiten zwingend. |
Laufzeit | max. 35 Jahre | Längere Laufzeiten sind nur in „klar definierten Ausnahmefällen“ zulässig. |
Ausnahmen: Bis zu 20 % der Neukredite je Halbjahr dürfen die Richtwerte überschreiten, sofern das Institut interne, dokumentierte Kriterien einhält und Limite überwacht.
3. Praktische Auswirkungen für Kreditnehmer:innen
- 1. Strengere Bonitätsprüfung – Einkommen, Lebenshaltungskosten und bestehende Verbindlichkeiten werden umfassender geprüft.
- 2. Mehr Eigenkapital erforderlich – Bei LTV > 90 % ist eine Finanzierung nur noch innerhalb des 20 %-Ausnahme-Kontingents realistisch.
- 3. Zinsbindungsstrategien gewinnen an Bedeutung – Wer variable Zinsen wählt, muss mit reduzierten DSTI-Grenzen kalkulieren.
- 4. Vorsicht bei langen Laufzeiten – Kredite > 35 Jahre bedürfen fundierter Begründung; Pensionsphase und Lebenshaltungskosten werden genauer simuliert.
4. Chancen und Risiken für Bauträger, Makler und Anleger:innen
- Projektfinanzierungen müssen frühzeitig an die verschärften DSTI- und LTV-Grenzen der Endkund:innen angepasst werden.
- Verkaufsprozesse verlängern sich, weil Finanzierungszusagen mehr Zeit benötigen.
- Preisverhandlungen werden wichtiger: Ein niedrigerer Kaufpreis verbessert automatisch die LTV-Quote.
- Alternative Finanzierungsformen (z. B. Mezzanine-Kapital, Contracting-Modelle) können an Bedeutung gewinnen.
5. Handlungsempfehlungen
Für Käufer:innen / Kreditnehmer:innen
- 1. Frühzeitig Finanzierungsrahmen prüfen lassen (Stresstest bei Zinsanstieg einplanen).
- 2. Eigenkapitalstruktur optimieren – Einsatz von Bausparguthaben, Lebensversicherungen oder Vorab-Tilgungen abklären.
- 3. Kreditverträge an neue Laufzeit- und Zinsbindungsanforderungen anpassen; Nachverhandlungen bestehender Angebote prüfen.
Für Verkäufer:innen, Entwickler & Investoren
- 1. Businesspläne aktualisieren: realistische Verkaufspreise vs. LTV-Grenzen.
- 2. Zahlungspläne und Ratenvereinbarungen auf die maximal zulässigen DSTI-Quoten abstimmen.
- 3. Kaufvertrags- und Treuhandmodelle so gestalten, dass Sicherheitenanforderungen der Banken erfüllt werden.
Fazit
Das neue FMA-Rundschreiben führt die Kernvorgaben der ausgelaufenen KIM-V fort und macht sie zum Maßstab solider Kreditvergabe. Wer jetzt informiert handelt, kann Projekte planbar finanzieren und Risiken minimieren.
Sie haben Fragen zu Ihrem konkreten Finanzierungsvorhaben oder möchten Ihre Vertragsdokumente an die neuen Vorgaben anpassen? Kontaktieren Sie uns jederzeit – wir beraten Sie gerne.
