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Versehrtenrente: Verletzungen bei Profisportlern

Verletzungen eines Profisportlers können durch Anerkennung des Versicherungsträgers als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit zu einer Versehrtenrente führen, sofern der Profisportler Arbeitnehmer ist. Nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (im Folgenden „ASVG“) besteht ein Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit um mindestens 20% vermindert ist.

Bleibende Schäden oder chronische Erkrankungen als Folge einer Profisportkarriere in Österreich nicht als Berufskrankheit anerkannt

Gleich vorweg kann gesagt werden: Sportler in Österreich werden in den allermeisten Fällen keine Berufskrankheit erleiden, da diese gemäß Anlage 1 zum ASVG vordefiniert sind und größtenteils auf den Einfluss schädigender Stoffe oä abstellen. Berufskrankheiten aufgrund mechanischer oder physikalischer Einwirkungen sind in Österreich rar und teilweise auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt. Denkbar wären bspw die Lfd. Nr. 23 Anlage 1 zum ASVG („Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel, der Sehnenscheiden und des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze durch ständigen Druck oder ständige Erschütterung“). Der häufig vorkommende Meniskusschaden ist nur Bergleuten als Berufskrankheit vorbehalten (Lfd. Nr. 25 Anlage 1 zum ASVG: „Meniskusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tag und bei anderen Personen nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung“).

In Deutschland ist die Anerkennung eines Meniskusschadens als Berufskrankheit möglich

Dass es auch anders geht zeigt Deutschland auf: Dort finden sich in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) für Deutschland wesentlich mehr Berufskrankheiten aufgrund mechanischer oder physikalischer Einwirkungen und oftmals ohne Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen. So lautet beispielhaft die Berufskrankheit 2102 BKV „Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten“. Aufgrund dieser weiten Definition können in Deutschland zB Profifußballer Meniskusschäden als Berufskrankheit mit Erfolg geltend machen (SG Dresden 10.02.2017, S 5 U 233/16), während dies in Österreich nach der derzeit vorliegenden Rechtslage nicht möglich ist.

Sportverletzungen können aber als Arbeitsunfälle anerkannt werden

Die Konsequenz daraus ist, dass Verletzungen eines Profisportlers für eine etwaige Versehrtenrente zumeist über einen Arbeitsunfall führen müssen. Grundsätzlich handelt es sich bei einem Unfall dann um einen Arbeitsunfall, wenn er sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet.

Versichertes Risiko

Versichert ist das Unfallrisiko beim Training und Wettkampf einschließlich etwaig zurückgelegter Wege („Betriebswege“), aber auch der Weg vom Wohnort des Profisportlers zum Beschäftigungsort („Arbeitsweg“). Verunglückt daher beispielsweise ein Sportler am Heimweg von einem selbst organisierten Training vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, ist dieser Unfall nicht als versicherter Arbeitsunfall zu werten (siehe OGH 10 ObS 97/19s iZm einem Eishockeyspieler). Der Sportler wird daher gut beraten sein sich in so einem Fall entweder vorher selbst zu versichern, oder eine (weite) Einstandspflicht des zukünftigen Arbeitgebers für den Fall eines Unfalles zu vereinbaren.

Problematisch am Arbeitsunfall ist, dass dieser aufgrund mehrerer Ursachen verwirklicht werden kann. Die Unfallversicherung leistet jedoch nur dann, wenn die wesentlich für den Erfolg verantwortliche Ursache von der Unfallversicherung zu vertreten war (Theorie der wesentlichen Bedingung). Am Beispiel des Meniskusschadens ist folgende Konstellation denkbar: Ein Fußballer erleidet einen Meniskusriss aufgrund eines Fouls während des Trainings. Der Arzt attestiert in seinem Gutachten, dass das Foul zwar ursächlich für den Meniskusriss war, allerdings aufgrund jahrelanger Belastungen und dem Verschleiß von Menisken, Schleimbeutel und Bändern es zu diesem Meniskusriss innerhalb kürzester Zeit ohnehin gekommen wäre. Das Training war daher nur eine Gelegenheitsursache, der eigentliche Grund lag in der Vorschädigung. In solchen Fällen berufen sich die Gerichte auf die Theorie der wesentlichen Bedingung und würden das Foul nur dann als wesentliche Ursache ansehen, wenn es den Schadenseintritt erheblich früher oder erheblich schwerer herbeigeführt hätte.

Dieser Beweis wird jedoch regelmäßig schwer zu führen sein. Der Versicherungsträger wird im Rahmen seiner Ermittlungspflichten (§ 364 ASVG) jedenfalls die Tatsachen feststellen, die für die Anerkennung als Arbeitsunfall notwendig sind (Einsichtnahme in den Verkehrsunfallbericht, Anordnung einer ärztlichen Untersuchung gem § 366 Abs 1 ASVG).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung zeigt auf, worin der Kern des Problems liegt: Die schleichende und oftmals unbemerkte Vorschädigung verhindert bei Profisportlern häufig die Anerkennung als Arbeitsunfall, da sie sozialversicherungsrechtlich als wesentliche Bedingung das letzte für die Verletzung (mit-)ursächliche Ereignis verdrängt. Genau solche Vorschädigungen fängt in Deutschland für Meniskusschäden die Berufskrankheit 2102 BKV ab. In diesem Zusammenhang ist augenscheinlich von einer Lücke im System auszugehen (siehe auch em. Univ. Prof. Theodor Tomandl, Sozialrechtliche Probleme des Berufssports, ZAS 2002, 65).

Dennoch besteht die Möglichkeit – auch während der noch laufenden Sportkarriere – einen Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente zu stellen.

Philipp Frenzl am 29. September 2021